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Digitale Champions League im Fokus - Wir sind bereit für die Zukunft!

Es ist ein starkes Ergebnis: Die Firma Rau aus Balingen steht – in Fußballsprache ausgedrückt – ganz locker auf den internationalen Plätzen. „Wenn sie dranbleiben und unsere Ideen umsetzen, ist in Sachen Digitalisierung sogar die Champions League möglich“, sagt Andreas Pufall, Digitalisierungsexperte und Professor an der Hochschule RavensburgWeingarten (RWU). Er und sein
Professoren-Kollege Steffen Jäckle haben das mittelständische Unternehmen aus dem Zollernalbkreis einem ausführlichen Digitalisierungs-Check-up unterzogen, den die „Schwäbische Zeitung“
ausgelobt hatte – und das Ergebnis für den Hersteller hochwertiger Werkbänke und Arbeitsplatzeinrichtungen kann sich durchaus sehen lassen.

Welche Digitalisierungs-„Note“ erhält die Firma Rau?

Der sogenannte DTXN-Score, der den aktuellen Stand der Digitalisierung eines Unternehmens ausweist, liegt bei Rau im Bereich zwischen drei und vier – maximal
möglich ist ein Wert von fünf. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, sagt Jäckle – über alle Branchen hinweg und ganz besonders für einen traditionellen Mittelständler wie die Rau GmbH,
die – nach guter alter Handwerkstradition – seit Jahrzehnten mit Holz und Metall arbeitet. „Digitalisierung ist kein Neuland für Rau. Die Anstrengungen der Vergangenheit tragen jetzt
Früchte“, lobt Jäckle weiter. So ist der 134 Mitarbeiter zählende Betrieb in viele Bereichen schon ausgesprochen gut aufgestellt – zum Beispiel im Vertrieb, in der internen Kommunikation und bei der
Gewinnung von Nachwuchs, die trotz des zunehmenden Fachkräftemangels sehr erfolgreich läuft. Aber auch die digitale Fertigung ist schon weit fortgeschritten und spart Jahr für Jahr erhebliche Summen ein.

Was ist der Hauptansatzpunkt für Verbesserungen?

Die „Marke Rau“ verdient laut Jäckle aber eine noch höhere Strahlkraft. So seien die Aktivitäten des Premiumherstellers hier noch viel zu „schwäbisch-bescheiden“.
„Die Kunden müssen keine Werkbank wollen, sondern eine ,Rau‘“, verdeutlicht Pufall. Ziel sei es, eine ähnliche Strahlkraft wie der Bohrmaschinen Hersteller „Hilti“ oder gar „Porsche“ zu entwickeln.
Die beiden Weingartener Professoren haben sich schon lange auf das Thema Digitalisierung und digitale Transformation – vor allem mittelständischer Unternehmen – spezialisiert und in diesem Zusammenhang den Digital Transformation Excellence Navigator (DTXN) entwickelt. Pufall ist Professor für Produktionstechnik und -optimierung sowie Technologiemanagement. Jäckle hat unter anderem den Lehrstuhl für
Marketing und Sales Excellence inne. Entsprechend decken sie die gesamte Bandbreite von der Produktentwicklung und der Produktion bis hin zum Marketing und Vertrieb ab.

Welche konkreten Empfehlungen gehen aus dem Digitalisierungs-Check-up hervor?

Konkret haben die Experten drei Handlungsempfehlungen für Rau: Erstens, die Marke Rau muss noch viel sichtbarer bei den Kunden gemacht und deutlich aktiver kommuniziert werden – auch
und gerade durch Social Media. Zudem sollte der Mittelständler auch mehr auf den eigenen Webshop setzen und so die eigene Position am Markt stärken. Zweitens raten Pufall und Jäckle zu Digitalisierungs- und Effizienzprojekten in Produktion und Vertrieb, die etwa in Kooperation mit Hochschulen durchgeführt werden könnten. Drittens, sollte Rau mehr Wertschöpfung mit den verfügbaren Ressourcen erzielen, etwa
durch eine neue Produktlinie „Rau Ergo Ultra“, mit der die ergonomischen Vorteile von RauWerkbänken betont werden können. Zudem könnten so auch bestehende Produkte mit „Ergo Ultra“-Zubehörteilen und weiteren Features nachgerüstet werden.

Wo schlummern weitere Potenziale?

„Digitalisierung sollte nie nur der Digitalisierung willen geschehen, sondern nur dann, wenn sie dem Unternehmen und seinen Kunden auch handfeste Vorteile bringt“, betont Pufall. Diese können sowohl im Produktionsprozess als auch in der Markenpflege und im Vertrieb liegen. Der Experte sieht vor allem beim Thema „digital lean“ – also der schlanken Produktion – noch merkliche Potenziale bei Rau und regt einen Austausch mit dem Tettnanger Sensorik-Spezialisten IFM an, laut Pufall ein „absolutes VorzeigeUnternehmen“, was Digitalisierung betrifft. Bei Rau sieht der Professor insbesondere noch Potenzial beim Holzzuschnitt. Durch Automatisierung könnte hier sehr viel Verschnitt verhindert und damit wertvoller und teurer Rohstoff eingespart werden. Die Ausgangslage für das Unternehmen sei
aber hervorragend: „Rau hat tolle Produkte und ein sehr innovatives und sympathisches Team“, bilanziert Pufall. „Wir haben bei dem Projekt auch sehr viel für uns selbst mitgenommen“, sind sich beide Experten einig, denen ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis seit jeher ausgesprochen wichtig ist. 

Was sagen die Unternehmer dazu?

Zunächst freut man sich im Hause Rau über die gute Bewertung des Ist-Zustands. „Der Austausch und auch der Analyseprozess waren ausgesprochen interessant und haben sehr gute Impulse und Anregungen für uns gebracht“, bilanziert Junior-Chef Jannik Rau. Die Analyse helfe sicher dabei, die lange Projektliste, die bereits bestehe, neu zu priorisieren. Insbesondere die Idee, mehr mit anderen Unternehmen zu kooperieren, findet er hochspannend. Darin sieht Jannik Rau „hohes Potenzial“. Für Senior-Chef Bernd Rau war der Digital-Check-up ebenfalls ausgesprochen hilfreich – insbesondere der kritische Blick von außen und der intensive Austausch mit den beiden Wissenschaftlern. Der erfahrene Unternehmer sieht seinen Betrieb alles in allem gut aufgestellt, an vielen Stellen sei aber durchaus „noch Luft nach oben“, sagt er – typisch schwäbisch – ganz selbstkritisch. Vor allem das Thema einer besseren Markenbildung beschäftigt Bernd Rau sehr sowie auch weitere Optimierungen in der Produktion. Ganz besonders gefällt ihm die Idee mit der neuen Produktlinie „Rau Ergo Ultra“. 

Wie geht es nun weiter? 

Nun gelte es, alles nochmals intern zu analysieren und die wichtigsten Baustellen – gemeinsam mit seinem Sohn Jannik und dem Rau-Digitalisierungsbeauftragten Marcello Anicito – in konkreten Projekten anzugehen. Es gibt also jede Menge zu tun im Balinger Stadtteil Frommern. Positiv stimmt beide Raus eines gleichermaßen: „Wir haben ein richtig gutes Team zusammen“, sagen Senior- und Juniorchef. Das sehen die beiden Professoren aus Weingarten genauso – vielleicht ist es sogar ein Champions-League-taugliches Team.

Tags: Unternehmen